Schon in der Schule die Mikro- und Nanowelt erforschen

(Nanowerk News) Einmal einen direkten Blick auf die Strukturen eines modernen Mikrochips werfen, die bis zu 32 nm klein und damit mit dem blossen Auge nicht sichtbar sind – eine faszinierende Idee! Mit einem extra für Lehr-Zwecke entwickelten Rasterkraftmikroskop können Berufs- und andere Schulen ihre Schüler diesem Ziel etwas näher bringen und sie fit machen für eine der ganz aktuellen Anforderungen der High-Tech-Welt, nämlich die Erforschung der Mikro- und Nanowelt.
Das Gerät, das in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) entwickelt, im Rahmen der Ausgründungsfirma LearningAid marktreif gemacht wurde und nun über die Lehrmittel-Firma Christiani vertrieben wird, kommt gleich im Paket daher: mit mehreren Proben, um es jederzeit selber zu kalibrieren, einer ausgeklügelten Auswerte-Software und nicht zuletzt einer siebenstündigen Einführung – sprich: mit Know-how rund ums Messen und Kalibrieren in der Nanonwelt, mit dem sich viele Unterrichtsstunden füllen lassen. Das Gerät mit dem Namen AFMone könnte für Berufsschulen, aber auch Gymnasien im grösser werdenden "Konkurrenzkampf" um Schüler interessant sein. Es wird vom 21. bis 27. Februar auf der Messe Didacta in Stuttgart vorgestellt (Halle 7, Stand B31).
Das AFMone kann Strukturen bis zu 20 nm sichtbar machen
Das AFMone verfügt über einen Messbereich von 100 µm x 100 µm und kann Strukturen bis zu 20 nm sichtbar machen.
Ein "normales" High-Tech-Rasterkraftmikroskop kostet 50 000 Euro oder mehr. Dieselbe Technik auch preiswerter zu realisieren – das war die anspruchsvolle Idee, mit der es losging. Und tatsächlich schafften es vor etwa zwei Jahren einige PTB-Mitarbeiter um den Wissenschaftler Hans Ulrich Danzebrink, auch mit deutlich weniger Aufwand einen Blick in die Mikro- und Nanowelt zu werfen.
"Natürlich müssen Sie da Abstriche bei der Messunsicherheit machen. Aber wir dachten ja auch eher an didaktische Zwecke", erläutert Danzebrink.
Und genau die versprach der Prototyp zu erfüllen, der schliesslich fertig im Labor stand. Neben Danzebrink und dem Haupt-Entwickler Helmut Wolff waren bei Software- und Elektronik-Entwicklung auch Lutz Jusko, Holger Neddermeyer und Hartmut Illers beteiligt.
Nach Beendigung der PTB-Arbeit wird das Gerät jetzt in der Ausbildung von Praktikanten und Schülern sowie im Rahmen von Schulprojekten eingesetzt. Diese (beispielsweise mit dem Hoffmann-von-Fallersleben-Gymnasium in Braunschweig) werden durch Drittmittel über das Kompetenzzentrum Ultrapräzise Oberflächenbearbeitung (CC UPOB e.V.) und durch die "Arbeitsgemeinschaft der Nanotechnologie-Kompetenzzentren in Deutschland" (AGeNT-D) unterstützt.
Um das Gerät aber auch für den kommerziellen Markt fit zu machen, musste noch viel Mühe investiert werden. Die übernahm Radovan Popadic, der als Feinwerkmechaniker von Anfang an dabei war. Mit PTB-Unterstützung gründete er die Firma LearningAid, lizensierte die Technologie und begann die aufwendige Suche nach Zulieferern, nach den optimalen Komponenten und Verarbeitungsmethoden. Ausserdem brauchte er neben seinem Direktvertrieb einen bundesweit agierenden Vertriebspartner. Er fand ihn in der Firma Christiani, einem renommierten Lehrmittel-Unternehmen, mit dessen Hilfe ein komplettes Paket entstand: Neben dem eigentlichen Gerät, dem AFMone (AFM steht für "Atomic Force Microscope"), gehört dazu ein technisch-didaktisches Handbuch, aus dem sich so einige Unterrichtstunden rund um das Thema Messen und Regeln gestalten lassen.
Das Gerät selber macht einen sehr professionellen Eindruck und gestattet viel Einblick in sein Innenleben. "Das war Absicht. Die Schüler sollen nicht nur einen geheimnisvollen Kasten bedienen, sondern die dahinter liegenden Prinzipien erkennen", erläutert Popadic. Gut erkennbar ist der winzige Cantilever, eine feine Feder aus Kupfer, die über die Oberfläche der Atome fährt – von den sehr kleinen Abstossungskräften und einem elektronischen Regelkreis in gleich bleibendem Abstand zur Oberfläche gehalten. Während der Cantilever die winzigen Strukturen nachfährt, wirft er einen Laserstrahl mal etwas höher, mal etwas tiefer auf eine Fläche, wo Photodioden den Ort des Lichteintritts erfassen. Diese Information wandert zur Software, die daraus den Regelkreis steuert und aus den Regel-Informationen schliesslich schöne, dreidimensional wirkende Mikrolandschaften malt.
"Lehrer können damit viele verschiedene sehr grundlegende Dinge vermitteln: vom Messprozess an sich über die Funktion eines Regelkreises bis hin zum Errechnen der Messunsicherheit oder die eigenständige Weiter-Programmierung der Software", sagt Popadic.
Alles Themen, die heute in der Ausbildung bei verschiedenen Berufen bereits Pflicht sind. Er hofft, dass gerade jene Berufsschulen zugreifen werden, die für ihre Ausbildung Geld verlangen und somit Interesse haben könnten, mit einem besonderen Gerät als Alleinstellungsmerkmal neue Schüler anzulocken. Für weniger als 10 000 Euro bekommen sie Gerät, Handbuch, eine siebenstündige Einweisung und eine zweijährige Garantie. Eine erste Berufsschule in Hann. Münden arbeitet bereits seit einigen Monaten mit dem AFMone.
"Das war unsere Nullserie, bei der wir die letzten Kinderkrankheiten ausbügeln konnten. Nun kann es richtig losgehen", sagt Popadic und freut sich auf die Stuttgarter Messe mit ihrem grossen Fachpublikum.
Sollte sich das Gerät in der Berufsschulausbildung etablieren, dann hätten nicht nur Schüler und Lehrer profitiert, indem sie einen spannenden Aspekt der High-Tech-Forschung intensiv kennenlernen können, sondern auch die PTB. Drohen ihr doch, genau wie anderen Arbeitgebern im naturwissenschaftlich-technischen Bereich, die Zeiten knapper Bewerber. Da ist es gut, dem Problem frühzeitig entgegenzuwirken, indem sie schon Schülern ihr ureigenes Thema bekannt macht: das Messen auf höchstem Niveau.
Source: Physikalisch-Technischen Bundesanstalt