SPD fordert die Einrichtung eines Nanoproduktregisters

(Nanowerk News) Die SPD-Fraktion fordert die Bundesregierung in einem Antrag (17/8158; pdf) dazu auf, dem Thema Sicherheit im Bereich der Nanotechnologie höchste Priorität beizumessen.
Darüber hinaus soll unter anderem im Ministerrat der EU die sofortige Einrichtung eines Nanoproduktregisters gefordert werden. Des Weiteren drängen die Sozialdemokraten auf die Umsetzung eines bereits verabschiedeten Antrages (16/12695; pdf), der ebenfalls die Verbesserung der Sicherheitsforschung zum Ziel hat.
Hier ist der vollständige Text des Antrags "Chancen der Nanotechnologien nutzen und Risiken für Verbraucher reduzieren":
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Nanotechnologien sind ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Anwendungen, Innovationen und Entwicklungen, die sich typischerweise mit Strukturen und Prozessen in der Dimension von 1 bis 100 Nanometern befassen. Im Mittelpunkt der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Diskussion stehen die gezielt beziehungsweise gewollt erzeugten Nanomaterialien sowie deren Verwendung. Nanotechnologien zeichnen sich durch vielseitige Anwendungsbereiche aus. Neben ihrem Einsatz im Energie-, Material- oder Gesundheitsbereich halten Nanotechnologien einen rasanten Einzug in den Alltag von Verbraucherinnen und Verbraucher.
Das Interessante an der Nanotechnologie ist die Kleinheit des Materials. Aus der Nanoskaligkeit der Partikel resultieren dabei neue Eigenschaften, mit denen die Herstellung von bekannten Produkten optimiert oder ihr Nutzen verbessert werden kann. Zum Beispiel können Materialien in Nanogröße härter oder elektrisch leitfähiger werden als das gleiche Material bei höherer Skaligkeit. Die neuen Eigenschaften können für Mensch und Umwelt aber auch problematisch sein, wenn toxische oder kanzerogene Potenziale auftreten und sie vermehrt in der Luft, dem Abwasser oder dem Abfall zu finden sind. Nanomaterialien können auch die Struktur von Feinstäuben wie Asbest annehmen. Derzeit gibt es keinen Grund für eine pauschale Warnung oder Entwarnung, was die potenzielle Gefährlichkeit von Nanomaterialien angeht.
2. Auch wenn bisher keine konkrete Gefahr nachgewiesen werden konnte, sieht der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Gutachten vom September 2011 bei einigen Produkten und Verwendungen aus Vorsorgegesichtspunkten einen "Anlass zur Besorgnis". So ist zum Beispiel nicht ausgeschlossen, dass Nanosilber in Produkten mit zweifelhaftem Zusatznutzen – wie zum Beispiel Socken mit Nanosilber – auf lange Sicht zu Resistenzen von Bakterien führt und damit seinen sinnvollen Einsatz im Gesundheitsbereich gefährden könnte. Deshalb bedarf es einer möglichst frühzeitigen Risikobewertung jedes nanoskaligen Materials. Zu einigen schon länger auf dem Markt befindlichen Materialien liegen heute schon Studien zur Toxikologie und Exposition vor, bei vielen Materialien ist heute über deren toxikologisches Profil und ihr Verhalten in der Umwelt kaum etwas bekannt. Daher kommt es darauf an, dass die Hersteller frühzeitig umfassende und aussagefähige Daten zu den Risiken von Nanomaterialien ermitteln und öffentlich zugänglich machen. Solange keine wissenschaftliche Risikobewertung vorliegt und eine gesetzliche Regelung im europäischen Chemikalienrecht noch fehlt, ist dies ein wichtiger Schritt hin zu Transparenz und Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit.
3. Nanotechnologie gilt allgemein als Schlüsseltechnologie, von der Anstöße zu innovativen Entwicklungen in den verschiedensten technologischen Bereichen und gesellschaftlichen Anwendungsfeldern zu erwarten sind. Dabei zeichnen sich sinnvolle und hilfreiche Anwendungen etwa im Bereich Umwelt und Energie sowie im Gesundheitswesen ab. Auch wenn viele Bereiche der Nanotechnologien noch der Grundlagenforschung zuzurechnen sind gibt es inzwischen viele verbrauchernahe Produkte mit Nanomaterialien. Auf dem Markt sind zum Beispiel Lacke, Kosmetika, Kleidungsstücke, Filter oder Computerchips. Aber auch in der Medizin werden Nanomaterialien bereits in der Diagnostik und in der Tumorbehandlung angewendet, ein deutsches Unternehmen erhielt vor kurzem erstmals die Zulassung für eine Tumortherapie.
4. Trotz der rasanten Verbreitung können Verbraucherinnen und Verbraucher heute meistens nicht erkennen, ob er ein Produkt mit Nanomaterial kauft. Teilweise wird mit dem Zusatz "Nano" geworben, sogar dann, wenn keine Nanomaterialien enthalten sind, teilweise wird ihre Verwendung nicht ausgewiesen. Über die Wirkungsweise und die spezifischen Vorteile werden Verbraucherinnen und Verbraucher häufig nicht informiert. Derzeit gibt es keine generelle Kennzeichnungspflicht für nanohaltige Produkte. Für Lebensmittel wurde in der im Sommer 2011 beschlossenen EU-Lebensmittelinformationsverordnung eine Pflicht zur Kennzeichnung aufgenommen. Für Kosmetika gilt ab 2013 eine verpflichtende Kennzeichnung auf EU-Ebene. Andere verbrauchernahe Produkte wie Lebensmittelverpackungen, Wasch- und Haushaltsmittel und Textilien können ohne einen Hinweis auf Nanomaterial auf den Markt gebracht werden. Um Verbraucherinnen und Verbraucher angemessen zu informieren sollte die Kennzeichnung auf alle verbrauchernahen Produkte ausgeweitet werden.
5. Es gibt derzeit keine Übersicht über Nanoprodukte, Art und Menge der in ihnen enthaltenen Nanomaterialien oder über deren Spezifikation. Behörden verfügen bisher nicht über ausreichende Informationen darüber, welche Produkte mit Nanomaterialien in Deutschland hergestellt oder in Verkehr gebracht werden. Die für Sicherheitsfragen zuständigen Behörden, die bei Gefahrenabwehr aktiv werden müssten, benötigen einen Überblick über auf dem Markt befindliche Nanoprodukte, um im Rahmen von Risikomanagementmaßnahmen schnell reagieren zu können.
Deshalb sind ein öffentliches Produktregister und eine Meldepflicht erforderliche und angemessene Maßnahmen. Im Sinne der Markttransparenz sollten sich Verbraucherinnen und Verbraucher in einem öffentlich zugänglichen Produktregister über alle auf dem Markt befindlichen verbrauchernahen Produkte mit Nanomaterialien informieren können. Dabei werden die Vorteile der eingesetzten Nanopartikel dargestellt. Ebenso soll darüber informiert werden, wie mögliche Risiken minimiert wurden. Bei diesem öffentlichen Produktregister sollen Einschränkungen für die Veröffentlichung technischer Details möglich sein, wenn dies Betriebsgeheimnisse berührt und die für die Verbraucher wesentlichen Informationen gewährleistet sind. Ein solches Produktregister sollte EU-weit eingeführt werden. Wenn seine Einführung verzögert wird, sollte ein nationales Register, welches mit einem zukünftigen europäischen Produktregister zu harmonisieren wäre, erwogen werden.
Auf dieser Informationsplattform, welche durch die zuständigen Bundesbehörden laufend aktualisiert wird, sollte, wie bereits im Antrag auf Bundestagsdrucksache 16/12695 gefordert, ebenfalls die Bevölkerung, Politik und Wirtschaft über geltende Bestimmungen, Vorschriften und Empfehlungen informiert werden.
6. Auf dem Gebiet der Nanotechnologien ist die Bundesrepublik weltweit mit an der Spitze. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete die konsequente und möglichst transparente Förderpolitik der letzten Jahrzehnte und eine kritisch-progressive Begleitung durch den Bundestag. Etwa die Hälfte der in Europa ansässigen Unternehmen in diesem Bereich stammt aus Deutschland. Das Weltmarktpotenzial für nanobasierte Produkte allein im Bereich Umwelt und Energie wird laut einer Studie auf 57 Milliarden Euro im Jahr 2015 geschätzt. In Deutschland waren 2010 in dem gesamten Bereich Nanotechnologie über 960 Unternehmen aktiv. Mehr als zwei Drittel davon sind Kleine oder Mittlere Unternehmen (KMU). 2007 lag der durch deutsche Firmen in diesem Segment generierte Umsatz bei ca. 33 Mrd. Euro.
Auf Grund der langjährigen nationalen Unterstützung der Nanotechnologien steht Deutschland heute weltweit bei der Forschungsförderung auf Platz drei hinter den USA und Japan. Dabei profitiert Deutschland von einer exzellenten Forschungslandschaft aus außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen. Positiv für den Stand der Nanotechnologie sind auch die frühzeitigen Impulse verschiedener Organisationen. Zu nennen sind dabei die kontinuierliche Arbeit verschiedener Bundesbehörden, gesellschaftlicher Gruppen und Industrieverbände. Besonders hervorzuheben ist dabei auch die Arbeit der Nano-Kommission, welche 2006 vom damaligen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ins Leben gerufen wurde. In dieser Kommission arbeiteten Vertreterinnen und Vertreter aus der öffentlichen Verwaltung, der Wissenschaft, Wirtschaft und gesellschaftlichen Gruppen gemeinsam an Fragestellungen der Nanotechnologie. 2011 hat die Kommission ihren Endbericht vorgestellt.
7. Die Sicherheitsforschung und die ethische und soziale Begleitforschung sind in den Nanotechnologien besonders wichtig. Die Vorgängerregierungen haben dafür gesorgt, dass diese Gelder signifikant erhöht wurden. Derzeit werden für die Sicherheitsforschung ca. 6,2 Prozent der Bundesmittel für Nanotechnologien ausgegeben. Wenn man aber die Gesamtförderung der Nanotechnologie zum Vergleich heranzieht, wird für Sicherheitsforschung aber nur 3,5 Prozent der Mittel verwandt. In Anbetracht der großen Wissenslücken, aber auch der enormen Chancen dieser Materialien muss dieser Anteil deutlich erhöht werden. Der Deutsche Bundestag hat deshalb im Jahre 2009 beschlossen, diesen Anteil bis 2012 auf mindestens zehn Prozent zu erhöhen (Bundestagsdrucksache 16/12695). Zum jetzigen Zeitpunkt steht zu befürchten, dass dieses Ziel nicht eingehalten wird. Wir brauchen eine ressortübergreifende, wichtige Akteure der öffentlichen Forschung einbeziehende Strategie auf dem Feld der Sicherheitsforschung, die in einem offenen, für Anregungen aus der Gesellschaft offenen Prozess erarbeitet werden muss.
8. Rechtsvorschriften müssen den mit Nanomaterialien verbundenen möglichen Risiken Rechnung tragen. Dazu muss kontinuierlich geprüft werden, ob eine Anpassung der derzeitigen nationalen und europäischen Rechtsvorschriften, beispielsweise in Bezug auf bestehende Schwellenwerte, notwendig werden könnte. Große Bedeutung kommt hierbei angemessenen Test- und Risikobewertungsmethoden zu, da auf deren Grundlage über Rechtsvorschriften, Verwaltungsentscheidungen sowie die Verpflichtungen von Herstellern und Arbeitgebern entschieden wird. Dazu müssen Wissenslücken möglichst schnell geschlossen werden, um zu einer verlässlichen Bewertung von möglichen Gefahren bei der Verwendung von Nanomaterialien zu kommen.
9. So lange die möglichen Risiken der jeweiligen Nanopartikel aber nur ungenügend untersucht sind, gebieten Vernunft und Vorsorgeprinzip, dass die Verbreitung von künstlich hergestellten freien Nanopartikeln in Gewässer, Luft, Böden und Abfall so weit wie möglich vermieden wird. Hierbei spielt die Herstellung und Entsorgung von Produkten mit Nanopartikeln, auch im Hinblick auf den Arbeitsschutz, eine besondere Rolle. So lange keine Risikobewertungen vorliegen sollte das gezielte Einbringen von Nano-Partikeln in Lebensmitteln unterbleiben und die Verwendung von die in besonders engen Kontakt mit dem menschlichen Körper gelangen, der Kennzeichnung und einem vorläufigen Zulassungsverfahren unterliegen. Fehlinvestitionen und Folgekosten für Gesellschaft und Wirtschaft und irreparable Schäden können so vermieden werden.
10. Im Juni dieses Jahres warnte das Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) vor dem Einsatz von Nanosilber. "Nanosilber gehört nicht in Lebensmittel, Textilien und Kosmetika" titelte das BfR. Das Bundesinstitut war zu dem Schluss gekommen, das in Bezug auf die Toxizität von Nanosilber zu viele Fragen noch offen sind. Es empfahl daher, auf den Einsatz von Nanosilber in Lebensmitteln, und Bedarfsgegenständen solange zu verzichten, bis eine ausreichende Datenlage eine Bewertung erlaubt. Trotz der Warnung des BfR hat die Bundesregierung bisher keine Konsequenzen gezogen und entsprechende Maßnahmen ergriffen. Verbraucherinnen und Verbraucher kaufen daher weiterhin Produkte mit Nanosilber, ohne dass deren Unbedenklichkeit belegt ist. Das Einschreiten des Staates ist aufgrund des Vorsorgeprinzips notwendig.
11. In der Vergangenheit wurden staatliche Schutzmaßnahmen häufig erst dann ergriffen, wenn die schädlichen Wirkungen eines neuen Stoffs oder eines neuen Produktes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wissenschaftlich belegt werden konnten. Fehlten wissenschaftliche Erkenntnisse, die einen kausalen Zusammenhang zwischen einem Stoff, einem Produktionsverfahren oder einem Produkt einerseits und einem Schaden andererseits beweisen, wurden oft keine Schutzmaßnahmen ergriffen. In der Zwischenzeit hat sich jedoch der Gedanke des Vorsorgeprinzips durchgesetzt, wonach Risiken für Mensch und Umwelt – unter sorgsamer Abwägung von Kosten und Nutzen – so weit wie möglich auch dann präventiv vermieden werden sollten, wenn noch wissenschaftliche Unsicherheiten vorhanden sind und ein abstrakter Anlass zur Besorgnis besteht.
12. In seinem Gutachten "Vorsorgestrategien für Nanomaterialien" stellt der Sachverständigenrat für Umweltfragen fest, dass in vielen Rechtsbereichen noch immer rechtliche Eingriffsgrundlagen fehlen, um im Bereich der Nanotechnologie staatliches Handeln im Sinne des Vorsorgeprinzips zu ermöglichen. Wo keine Regulierung vorhanden ist, muss nach wie vor eine hinreichende Gefahr nachgewiesen werden. Damit trägt der Staat die Beweispflicht für die Gefährlichkeit eines Stoffes oder Produktes und nicht der Hersteller die Beweislast für dessen Ungefährlichkeit. Grundsätzlich tragen zwar die Hersteller die Verantwortung für die Sicherheit ihrer Produkte, was in der gesetzlich geregelten Produktverantwortung und den Vorgaben des Haftungsrechts zum Ausdruck kommt. In besonders sensiblen Bereichen oder wenn Anhaltspunkte für ein Risiko bestehen, muss bei einem bestehenden Wissensdefizit jedoch der Staat handeln und das Vorsorgeprinzip anwenden. Hierzu bedarf es einer auf naturwissenschaftliche Sachverhalte gestützten Risikoermittlung und Risikobewertung.
13. Als Maßnahmen kommen der Abbau von Wissenslücken durch Risikoforschung, rechtsverbindliche Haftungsregelungen, Informations- und Kennzeichnungspflichten, aber auch Zulassungsverfahren mit Umkehr der Beweislast in Frage. Im Lebensmittelbereich sollte auf EU-Ebene das für neuartige Lebensmittel geltende Zulassungsverfahren auf Produkte mit Nanomaterialien ausgeweitet werden, wie es in den Verhandlungen über die EU-Verordnung über neuartige Lebensmittel ("Novel Food-Verordnung") vorgesehen war. Wenn in anderen Bereichen eine Kontrolle vor Markteintritt nicht als notwendig erachtet wird, sollte zumindest eine vorsorgeorientierte Eingriffsgrundlage für auf dem Markt befindliche Produkte vorhanden sein, damit im Falle einer abstrakten Besorgnis die Herstellung, Vermarktung oder Verwendung erforderlichenfalls beschränkt werden kann.
14. Wie viele andere neuen Technologien wirft auch die Nanotechnologie ethische Fragen auf. Auf nationaler wie auch auf europäischer und internationaler Ebene wurden Gremien eingesetzt, die sich mit den ethischen Fragen und der Bewertung der Chancen und Risiken der Nanotechnologie beschäftigen. Thematisiert werden beispielsweise mögliche Eingriffe in die Privatsphäre sowie die neuen Möglichkeiten und Risiken im Gesundheitssektor beim Einsatz der Nanotechnologie. Viele dieser Fragen sind in ihren Grundsätzen bereits in anderen Technologiefeldern behandelt worden. Die Ergebnisse dieser Diskurse sollten in die gesellschaftlichen Diskussionen um die Chancen und Risiken der Nanotechnologie einbezogen werden.
15. Akzeptanz ist eine zentrale Grundvoraussetzung der Anwendung jeglicher Innovation. Die Nanotechnologie hat in Deutschland eine relativ hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Hierbei wird aber zwischen Produktgruppen unterschieden. Abgelehnt wird zum Beispiel der Einsatz von Nanotechnologie in Lebensmitteln. Zentrale Voraussetzung für Akzeptanz ist Transparenz. Allerdings können Rückrufaktionen diese Akzeptanz nachhaltig gefährden. Dem kann mit umfassender Information und Transparenz, aber auch mit verstärkter präventiver Risikoforschung, deren Ergebnisse in angemessener Weise der Gesellschaft zu vermitteln sind, entgegengetreten werden. Um Unsicherheiten zu begegnen, ist auch die Wirtschaft gefordert. Das von vielen Seiten geforderte Produktregister ist ein gutes Mittel zur Erhöhung dieser Transparenz.
16. Die Nanotechnologie erfordert, wie andere Schlüsseltechnologien auch, fach- und ressortübergreifendes Denken. Dieser Herausforderung muss bereits in der Ausbildung Rechnung getragen werden. Für die Risikobewertung werden zudem verstärkt Toxikologinnen und Toxikologen benötigt. Für den gesamten Ausbildungsbereich sind die Länder gefragt, der Bund sollte diese - wo möglich - unterstützen.
II. Der Deutsche Bundestag erwartet, dass endlich alle Forderungen des durch den Bundestag verabschiedeten Antrages auf Bundestagsdrucksache 16/12695 umgesetzt werden, insbesondere das Ziel, die Sicherheitsforschung bis 2012 auf mindestens zehn Prozent zu erhöhen.
III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
  • dem Thema Sicherheit höchste Priorität beizumessen, da diese eine Grundvoraussetzung für die Nutzung der Nanotechnologie und deren Akzeptanz in der Wirtschaft und bei Verbraucherinnen und Verbrauchern ist;
  • im Ministerrat der EU die sofortige Einrichtung eines Nanoproduktregisters zu fordern und parallel dazu mit der Erarbeitung eines nationalen Nanoproduktregisters zu beginnen, um dieses gegebenenfalls bis 2013 online zu stellen;
  • eine Kennzeichnungspflicht bei nanoskaligen Inhaltstoffen mit dem Zusatz "nano" auf allen verbrauchernahen Produkten zu prüfen, in denen Nanomaterialien nicht fest eingebunden sind;
  • sich dafür einzusetzen, dass die Erarbeitung einer anwendbaren, tragfähigen und international anerkannten Definition von Nanopartikeln beschleunigt wird; als ersten Schritt sich zur Definition der EU-Kommission für Nanomaterialien zu positionieren und zu prüfen, welche Konsequenzen eine Einbeziehung natürlicher Materialien und die Ausweitung auf bis zu 300 Nanometer nach dem Stand der Technik mit sich bringen würde;
  • das Produkt-, Stoff- und Umweltrecht auf nanospezifische Regelungslücken und allgemeine Vorsorgedefizite zu prüfen und auf EU- und ggf. nationaler Ebene Vorschläge für eine kohärente Gesetzgebung für nanoskalige Stoffe und Produkte vorzulegen. Dabei ist sicher zu stellen, dass jedenfalls eine vorsorgeorientierte Eingriffsgrundlage der Behörden für auf dem Markt befindliche Produkte vorhanden ist;
  • sich auf EU-Ebene für eine Neuaufnahme der Verhandlungen über die Verordnung über neuartige Lebensmittel und ein Zulassungsverfahren sowie die Kennzeichnung für Nano-Lebensmittel einzusetzen;
  • zu prüfen, wie eine sachgerechte Entsorgung von synthetischen Nanomaterialien sichergestellt werden kann, ohne dass gefährliche Nanopartikel in die Umwelt gelangen;
  • darauf hinzuwirken, dass verstärkt verbesserte Messverfahren und Messtechniken zur Identifizierung von Nanomaterialien in Wasser, Boden und Luft entwickelt und eingesetzt werden. Wichtig sind dabei standardisierte Testverfahren, um die Ergebnisse vergleichbar zu machen;
  • die Sicherheitsforschung noch stärker als bisher finanziell zu fördern, indem der Anteil der Sicherheitsforschung bis 2015 an den vorgesehenen Gesamtausgaben auf mindestens zehn Prozent erhöht wird. Grundlage bildet eine ressortübergreifende, auch Forschungsorganisationen einbeziehende Strategie auf dem Feld der Sicherheitsforschung die in einem offenen, für Anregungen aus der Gesellschaft offenen Prozess erarbeitet werden muss;
  • dem Fachkräftemangel technologieübergreifend zu begegnen und angesichts der zur Zeit im Ingenieurbereich fehlenden Fachkräfte Strategien zu entwickeln, wie bei jungen Menschen Interesse für diese Berufe und für Nanotechnologien geweckt werden kann.
  • Source: Deutscher Bundestag