Posted: October 30, 2008

Das weltweit schnellste Nanolichtmikroskop

(Nanowerk News) "Sehr tief, sehr weit, in vivo und vor allem superschnell", mit diesen Schlagworten beschreibt Prof. Dr. Dr. Christoph Cremer vom Lehrstuhl für "Angewandte Optik und Informationsverarbeitung" am Kirchhoff-Institut für Physik der Universität Heidelberg die Vorteile seines optischen Nanoskops Vertico-SMI, mit dem er die molekularen Geheimnisse der Zelle entschlüsseln will. Prof. Cremer durchbricht damit nach der Konzeption der 4Pi-Mikroskopie 1971 das zweite Mal in seiner Forscherkarriere die Grenze dessen, was bislang in der optischen Mikroskopie möglich war.
Prof. Cremer, der mit seinem Stammzellforschungsprojekt im Biotechcluster "Zellbasierte & Molekulare Medizin" zu einem der fünf Sieger des deutschen Spitzencluster-Wettbewerbs gehört, leistet hiermit seinen Beitrag zur Exzellenzinitiative der Universität Heidelberg.
"Es ist die Kombination von vier entscheidenden Vorteilen, mit denen sich das Cremersche Nanoskop an die Spitze setzt: erstens die Möglichkeit, grosse Zellareale mit einer Auflösung von bis zu 10 Nanometern zu untersuchen, zweitens die unübertroffen hohe Aufnahme- und Bildbearbeitungsgeschwindigkeit, welche drittens die Nano-Aufnahmen ganzer lebender Zellen in 3D in Echtzeit erst ermöglicht und viertens die Möglichkeit, gängige Fluoreszenzfarbstoffe einzusetzen - alles zusammengenommen die idealen Voraussetzungen für den Routineeinsatz", so die Innovationsmanagerin Dr. Andrea Nestl von der Technologie-Lizenz-Büro (TLB) GmbH, die das Patentportfolio verwertet (Tel. 0721 7900456, www.tlb.de).
Dieses innovative patentgeschützte Verfahren mit einer sensationellen Auflösung von 10 Nanometern in 2D und 40 Nanometern in 3D hat somit das Potenzial, die gesamte molekularbiologische, medizinische und pharmazeutische Forschung zu revolutionieren und dient der Entwicklung neuer Strategien zur Vorbeugung, Risikosenkung und Therapie von Krankheiten. Mit dem Prototyp des Vertico-SMI können lebende Zellkulturen in Petrischalen mit flüssigem Medium untersucht werden. Für die richtige Gasatmosphäre sorgt die anschliessbare Inkubationskammer.
Vergleichbare Nanoskopiemethoden wie die US-Entwicklungen PALM und SIM/OMX arbeiten ebenfalls mit Weitfeldmikroskopietechniken, verfügen aber nicht über diese aussergewöhnliche Aufnahmegeschwindigkeit, so dass keine Aufnahmen von lebenden Zellen mit hohen Moleküldichten möglich sind. Die in Harvard entwickelte STORM-Technologie ist zwar schnell, benötigt aber einen pH-Wert, der schädlich für lebende Zellen ist. Fokussierende Nanoskopie-Methoden wie STED und ISOSTED erreichen zwar schnelle Aufnahmen in kleinen Arealen, würden allerdings für einen grossen Bereich, wie er mit der Weitfeldmikroskopie erfasst werden kann, wiederum zu lange brauchen, da zuerst viele Einzelbereiche nanoskopisch erfasst werden müssten.
Das Vertico-SMI kann als einziges Nanoskop weltweit 3D-Daten ganzer lebender Zellen in zwei Minuten aufnehmen, wobei das hoch aufgelöste Bild aus mehreren tausend Einzelbildern per Computer zusammengesetzt wird.
Der mögliche Einsatzbereich eines derart schnellen, bedienungsfreundlichen und sehr stabilen optischen Nanoskops geht weit über die Grenzen der biomedizinischen Anwendungen hinaus - so ist eine Nutzung bei der Materialforschung, der Qualitätskontrolle von Nanobeschichtungen oder im Bereich der Elektronik, speziell bei Hochdurchsatzverfahren denkbar, da bereits kleinste Verformungen im 3D-Massstab festgestellt werden können.
Pushing the limits: Als Erfinder immer vorne mit dabei
Prof. Dr. Dr. Christoph Cremer verknüpft in seiner Forscherkarriere Erkenntnisse aus den Bereichen Optische Physik und Molekularbiologie in idealer Weise miteinander. Mit dem Vertico-SMI gelang es ihm in jüngster Zeit auf sensationelle Weise, die Grenzen der optischen Auflösung zu erweitern.
Bereits 1971 hat er das erste Mal die seit 1873 geltende, vom Zeiss-Mitbegründer Ernst Abbe postulierte, optische Auflösungsgrenze durchbrochen, als er gemeinsam mit seinem Bruder Prof. Dr. med. Thomas Cremer (Ludwig-Maximilians-Universität München) die 4Pi-Mikroskopie entwickelte (DE Offenlegungsschrift 2116521).
Die Entwicklung der ersten Bestrahlungstechnik, um gezielt DNA-Schäden in überlebenden Zellen auszulösen und somit Genen, speziell in der Embryonalentwicklung, eine Funktion zuzuordnen, führte zu einer sehr fruchtbaren Zusammenarbeit mit der späteren deutschen Nobelpreisträgerin Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Volhard.
Auch die Entwicklung des Konfokalen Laser Scanning Mikroskops (CLSM) zur Untersuchung fluoreszierender Objekte - heute in nahezu jedem molekularbiologischen Institut zu finden - geht auf die einfallsreichen Brüder zurück.
Prof. C. Cremer ist an drei laufenden Exzellenzprojekten der Universität Heidelberg beteiligt und darüber hinaus in seiner Funktion als "Adjunct"-Professor an der US-Universität Maine am Aufbau eines biophysikalischen Zentrums (Institute for Molecular Biophysics, IMB) am renommierten US-amerikanischen Jackson Laboratory beteiligt.
Source: IMEC