Idealer Nanokristall aus Massenkunststoff hergestellt

(Nanowerk News) Polyethylen ist ein Massenkunststoff, der in vielen Haushaltsgegenständen zu finden und daher besonders preiswert herzustellen ist. Einem Forscherteam aus Konstanz, Bayreuth und Berlin gelang es nun, aus diesem Kunststoff einen idealen Nanokristall zu synthetisieren. Voraussetzung dafür war ein neuartiger Katalysator, den die Gruppe der Universität Konstanz hergestellt hat sowie eine Kombination von einzigartigen Analysemöglichkeiten, wie sie am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) zu finden sind. Die kristalline Nanostruktur, die dem Kunststoff neue Eigenschaften verleiht, könnte zum Beispiel für die Herstellung neuartiger Beschichtungen interessant sein. Die Wissenschaftler haben ihre Ergebnisse im Journal of the American Chemical Society veröffentlicht ("Ideal Polyethylene Nanocrystals").
ein Katalysator erlaubt die Polymerisation von Ethylen in wässriger Lösung
Ein wasserlöslicher Ni(II)-Katalysator erlaubt die Polymerisation von Ethylen in wässriger Lösung. Die Grafik zeigt, wie die neu entstehenden Teile der PE-Kette in den wachsenden Kristall eingebaut werden. Die amorphen Bereiche wirken in dem idealen Nanokristall wie Umlenkrollen, die die Richtung der Ketten im Kristall um 180 Grad ändern. (Grafik: HZB)
Materialien mit einer ungeordneten (amorphen) Molekülstruktur in eine kristalline Form zu bringen, ist ein häufiges Anliegen von Chemikern und Materialwissenschaftlern. Erst die Kristallstruktur verleiht einem Stoff oft die gewünschten Eigenschaften. Auch für die Grundlagenforschung ist es deshalb interessant, physikalische Prinzipien zu finden, die dem Wechsel von amorphen zu kristallinen Strukturen zugrunde liegen.
Die leistungsfähige Analytik, die man dafür braucht, ist in ihrer vielfältigen Methoden-Kombination nirgendwo so konzentriert vorhanden wie in Berlin. Seit drei Jahren betreiben das HZB und die Berliner Humboldt-Universität das gemeinsame Joint Lab for Structural Research. Für die Humboldt-Universität war dies auch ein wichtiger Faktor im Konzept der Exzellenzinitiative.
Hochpolymere Verbindungen wie Polyethylen, die als lange Molekülketten vorliegen, sind in der Regel teilkristallin. Das heißt, sie bestehen aus lamellenartigen Polyethylen-Kristallen, die von einer Schicht amorphen Polyethylens bedeckt sind. Diese amorphen Phasen weisen eine Reihe von Störstellen wie zum Beispiel Verknotungen auf. In einem "idealen Nanokristall“ jedoch wirken die amorphen Bereiche wie Umlenkrollen, die die Richtung der Ketten im Kristall um 180 Grad ändern (siehe Abbildung).
Die Synthese eines solchen idealen Kristalls gelang nun mithilfe eines neuen wasserlöslichen Katalysators, der die Polymerisation von Ethylen in wässriger Phase erlaubt. Dabei werden die neu entstehenden Teile der Molekülkette sofort von dem wachsenden Kristall erfasst, so dass sich keine Störstellen wie etwa Verschlaufungen in den amorphen Bereichen ausbilden können. Diese Erkenntnisse haben die Forscher mit Methoden der Röntgenbeugung und der cryogenen Transmissions-Elektronenmikroskopie (TEM) gewonnen.
Die Suspension der Nanokristalle wurde von der Gruppe von Prof. Stefan Mecking an der Universität Konstanz hergestellt. Für die cryo-TEM haben die HZB-Wissenschaftler um Prof. Matthias Ballauff einen dünnen Film aus einer wässrigen Suspension der Polyethylen-Nanokristalle hergestellt und mithilfe von flüssigem tiefkaltem Ethan schockartig eingefroren. Dadurch entsteht eine glasartig erstarrte Wassermodifikation, und die eingeschlossenen Polyethylen-Nanokristalle lassen sich im Elektronenmikroskop analysieren. Zudem wurden Röntgen-Untersuchungen mit Kleinwinkelstreuung (SAXS) an diesen Suspensionen durchgeführt.
Die cryo-TEM hat ein Auflösungsvermögen um etwa ein Nanometer und ist besonders für die Untersuchung von kleinsten Strukturen in Mikroemulsionen und kolloidalen Lösungen geeignet. Zusammen mit den Röntgenbeugungsexperimenten hat dieses Verfahren den Beweis erbracht, dass tatsächlich perfekte Polymerkristalle im Nanomaßstab vorlagen. Matthias Ballauff: "Die Arbeit ist ein Beispiel für die Tatsache, dass durch Kombination von Mikroskopie und Streuung auch komplexe Systeme mit einer Genauigkeit analysiert werden können, die mit den einzelnen Verfahren nie möglich wäre."
Source: Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie