Posted: August 11, 2010

Nanopartikel schleusen Wirkstoff in Krebszellen ein

(Nanowerk News) Krebszellen vermehren sich unkontrolliert und bedrohen so gesundes Gewebe. Ein Weg gegen ihre Ausbreitung könnte in Zukunft direkt über das Innere der kranken Zellen führen. In enger Zusammenarbeit ist es drei Arbeitsgruppen der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und des Exzellenzclusters Nanosystems Initiative Munich (NIM) gelungen, den Wirkstoff Colchicin in konzentrierter Form mit Hilfe von Nanopartikeln direkt in Zellen einzuschleusen ("Colchicine-Loaded Lipid Bilayer-Coated 50 nm Mesoporous Nanoparticles Efficiently Induce Microtubule Depolymerization upon Cell Uptake").
Colchicin hemmt die Zellteilung und somit die Vermehrung von Krebszellen. Als Grundlage dienten den Forschern der LMU winzige Silikatpartikel mit einem Durchmesser von rund 50 Nanometern (1 Nanometer = 1 Milliardstel Meter). Die Partikel sind in dieser Grösse klein genug, um eine Zellmembran zu durchdringen und aufgrund ihrer porösen Struktur können Wirkstoffe wie Colchicin gut absorbiert werden. Damit der Wirkstoff nicht schon vor seinem Ziel auf dem Weg durch den Körper freigesetzt wird, entwickelten die Wissenschaftler eine Art Schutzhülle, die dies verhindert. Mit nur einem Behandlungsschritt schafften sie es, die Partikel mit einer Doppelschicht aus Lipidmolekülen zu überziehen, die die Wirkstoffe erst im Zellinneren wirklich entweichen lässt. Das Prinzip sei universell einsetzbar, erklärt Professor Bein: "Colchicin dient hier als ein Beispiel für zahlreiche andere Wirkstoffe, die auf diese Weise in Zellen eingeschleust werden könnten."
Nanopartikel sind so klein, dass sie über die Membran, die die natürliche Barriere einer Zelle bildet, in deren Innenraum eindringen können. Diese Fähigkeit könnte in Zukunft gerade für die Behandlung von Krebszellen grosse Chancen bieten. In ersten Versuchen wurde bereits gezeigt, dass die mit Wirkstoffen beladenen Partikel diese gezielt in die befallenen Zellen transportieren. Die benötigte Medikamentendosis könnte dadurch deutlich verringert und damit auch mögliche unerwünschte Nebenwirkungen reduziert werden. Entscheidend hierfür ist jedoch, dass die Wirkstoffe bis zum Eintritt in die Zelle im Nanopartikel verbleiben.
LMU-Wissenschaftler aus den Arbeitsgruppen der Professoren Joachim Rädler (Fakultät für Physik), Christoph Bräuchle und Thomas Bein (beide Department Chemie) entwickelten gemeinsam eine Methode, um die Wirkstoffe in den Nanoteilchen zu halten. Dazu gaben sie die Partikel in eine alkoholische Lösung mit Lipid-Molekülen und fügten schrittweise Wasser hinzu. Mit steigendem Wassergehalt bildeten die Lipide von selbst eine Hülle um die Partikel in Form einer Lipid-Doppelschicht. Wie dicht dieser Überzug ist, zeigte ein Test mit Farbstoffmolekülen. Statt mit einem Wirkstoff beluden die Wissenschaftler hierfür die Nanopartikel mit einem Fluoreszenzfarbstoff und gaben sie in eine Küvette mit Wasser.
Während die unpräparierten Nanopartikel ohne Lipidhülle nach einer Stunde den Grossteil der Farbmoleküle nach aussen abgegeben hatten, liess sich im Wasser des zweiten Ansatzes mit umhüllten Partikeln keinerlei Farbstoff nachweisen. Colchicin konnte durch die Lipidschicht in parallelen Versuchen nicht vollständig zurückgehalten werden, Spuren des Wirkstoffes fanden sich im Medium ausserhalb der Partikel. Der grösste Teil des Medikamentes diffundierte jedoch erst nach dem Eintritt in die Zielzelle und konnte dort seine wachstumshemmende Wirkung entfalten.
"Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Verschluss von porösen Nanopartikeln mit Lipiden ein effektives Konzept zur Beladung mit Wirkstoffen ist. Dies ermutigt uns, auch andere pharmazeutische Wirkstoffe auf diese Weise in Zellen zu transportieren und deren Wirksamkeit zu untersuchen. Wir sehen hier ein grosses Potenzial für die gezielte Freisetzung von Medikamenten, " so Professor Bein.
Source: Ludwig-Maximilians-Universität München