Posted: Oct 20, 2010

Wirkstoffkandidaten im Blut testen

(Nanowerk News) Small Molecules, also niedermolekulare biologische Verbindungen, gelten als ideale Kandidaten für neue pharmazeutische Wirkstoffe, weil sie klein genug sind, um in Zellen einzudringen und dort ihre Wirkung zu entfalten. Ein Team um den LMU-Biophysiker Professor Dieter Braun und Wissenschaftler des LMU Spin-off NanoTemper Technologies GmbH haben nun eine Methode entwickelt, die erstmals die Interaktionen biologischer Moleküle aller und auch sehr unterschiedlicher Grössen untersuchen lässt – selbst der bislang nur schwer zu erforschenden Small Molecules. Die "Microscale Thermophoresis" (MST) reagiert dabei sensitiv auf Grössenänderungen sowie auf Veränderungen von Wasserhülle und Ladung der Moleküle.
"Wir können die Wechselwirkung von Bindungspartnern in nahezu jeglichem Grössenverhältnis analysieren", sagt Braun. "Dazu gehören auch einzelne, an Proteine gebundene Ionen oder interagierende Small Molecules. Wenn wir zudem Fluoreszenzfarbstoffe als Marker einsetzen, kann die Untersuchung direkt in Blut und anderen komplexen Flüssigkeiten durchgeführt werden."
Die Methode ("Protein-binding assays in biological liquids using microscale thermophoresis") wurde in Zusammenarbeit mit NanoTemper Technologies entwickelt und vom Exzellenzcluster Nanosystems Initiative Munich (NIM) gefördert.
Die MST-Technologie beruht auf dem Grundprinzip der Thermophorese, also der gerichteten Bewegung von Teilchen entlang eines Temperaturgefälles. In diesem Fall erzeugt ein Infrarot-Laser einen mikroskopischen Temperaturgradienten, während die Änderung der Molekülkonzentration mit Hilfe von Fluoreszenzmikroskopie verfolgt und gemessen werden kann. Binden Moleküle aneinander, verändert das ihre thermophoretische Bewegung, sodass über die Messung auch die Stärke der Bindung ermittelt werden kann.
Die Thermophorese reagiert empfindlich auf verschiedene Eigenschaften von Biomolekülen, etwa Oberflächenparameter wie die Ladung oder auch Änderungen der umgebenden Wasserhülle, wie sie bei allen Bindungsreaktionen auftreten. Anders als bei herkömmlichen Methoden können so auch interagierende Moleküle mit sehr grossen Massen- oder Grössenunterschieden analysiert werden, ob nun bei einer Ionenbindung oder einer Interaktion von Small Molecules mit Proteinen. Insgesamt erlaubt die Methode einige Interaktionsanalysen, die bisher nicht möglich waren.
Ein weiterer Vorteil: Das Verfahren ist konkurrenzlos einfach in der Handhabung. Da die Analyse direkt in Lösung stattfindet, muss keiner der Bindungspartner immobilisiert werden – was eine mögliche Fehlerquelle umgeht und auch Zeit spart. Die Analyse des Bindungsverhaltens unter fast physiologischen Bedingungen liefert der Grundlagenforschung wie auch der medizinischen Forschung zudem Informationen für ein besseres Verständnis biologischer Prozesse – was bei der Entwicklung effizienter Wirkstoffe helfen könnte.
"Die MST-Technologie eröffnet vor allem im Grössenbereich der Small Molecules neue Möglichkeiten für die Entwicklung von Medikamenten", sagt Dr. Stefan Duhr, Geschäftsführer von NanoTemper. So kann die Methode etwa anzeigen, ob Bestandteile des Blutserums mit therapeutisch interessanten Substanzen interagieren – was deren Wirksamkeit beeinträchtigen könnte. "Diese Informationen können im Moment nur sehr aufwendig in klinischen Studien gewonnen werden", so Duhr.
Source: Ludwig-Maximilians-Universität München