Jena Center for Soft Matter der Uni Jena nimmt seine Arbeit auf

(Nanowerk News) Radikal und dennoch schonend, so müssen wirksame Medikamente gegen Krebs sein: Radikal genug, um die Tumorzellen vollständig zu eliminieren und gleichzeitig schonend, um eine irreversible Schädigung von gesundem Gewebe zu vermeiden. Was ein wenig nach der "Quadratur des Kreises" klingt, das entwickelt derzeit ein achtköpfiges Forscherteam der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Mit seinem Projekt "Intelligent siRNA for therapeutic applications" möchte das Team um Dr. Tobias Pöhlmann den Weg für eine neuartige und effiziente Therapie von Brustkrebs bereiten. Das im Rahmen der "GoBio"-Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in den kommenden drei Jahren mit 3,3 Millionen Euro geförderte Forschungsvorhaben ist ein Projekt, das im neuen interfakultären "Zentrum für funktionale Polymere – Jena Center for Soft Matter (JCSM)" der Friedrich-Schiller-Universität Jena gestartet ist.
Dr. Tobias Pöhlmann
Dr. Tobias Pöhlmann arbeitet unter dem Dach des "Jena Center for Soft Matter" der Universität Jena in einem neuen Projekt an einer innovativen und effizienten Therapie von Brustkrebs. (Foto: Anne Günther/FSU)
Zugrunde liegen der neuen Therapie RNA-Moleküle, mit denen sich zielgenau einzelne Gene ausschalten lassen. "Wir blockieren lebensnotwendige Gene in den Tumorzellen und diese sterben ab", erläutert Pöhlmann das Prinzip. Als "Aus"-Schalter nutzen die Forscher sogenannte siRNA-Moleküle (engl.: short interfering RNA). "Das Intelligente an diesen Molekülen ist nun, dass sie ihre Wirkung nur in den ausgewählten Zielzellen im Tumor entfalten können." Das umliegende Gewebe sowie andere Organe des Körpers werden nicht geschädigt – so die Idee. Der Trick dabei: Die siRNA-Moleküle werden mit einem Eiweiss gekoppelt. "Dieses Eiweiss kann man sich wie ein Paar Handschellen vorstellen, das die Wirkung zunächst verhindert", veranschaulicht Pöhlmann. Der "Schlüssel" zum Lösen der "Handschellen" liegt nur im Tumorgewebe vor und nur dort wird die siRNA aktiviert.
In den kommenden drei Jahren wollen die Jenaer Forscher ihren Therapieansatz so weit entwickeln, dass sich danach direkt klinische Studien anschliessen könnten. Dass ihnen das gelingt, dafür finden Pöhlmann und seine Mitstreiter im JCSM beste Voraussetzungen. "Das Zentrum vereint Partner mit einer ausgewiesenen Expertise im Bereich der Strukturaufklärung sowie der Aufreinigung von Polymeren", so Dr. Pöhlmann, der nach erfolgreicher Forschung eine Firmengründung plant. Auch von der engen Kooperation mit Wissenschaftlern aus der Pharmazie verspreche er sich innovative Impulse für sein Projekt.
Das "Zentrum für funktionale Polymere – Jena Center for Soft Matter" bringt Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena aus den Gebieten Chemie, Materialwissenschaften, Pharmazie, Medizin, Physik und Biologie zusammen und vernetzt sie mit externen Partnern. Sie erforschen und entwickeln Materialien mit besonderen Eigenschaften, prüfen ihre Anwendbarkeit und bringen diese Erkenntnisse auf kürzestem Wege in die Lehre ein. Das materialwissenschaftliche Zentrum stellt die dafür benötigten Technologien und Geräte gebündelt zur Verfügung.
"Massgeschneiderte Materialien auf Basis funktionaler Polymere bilden die Grundlage für Innovationen innerhalb der verschiedenen Zweige der Lebenswissenschaften, Physik, Chemie und Nanotechnologie", erläutert Prof. Dr. Ulrich S. Schubert, Sprecher im dreiköpfigen JCSM-Direktorium. Das neue Zentrum widmet sich vor allem der Erforschung solcher Polymere sowie photonischer Materialien und gehört zum Forschungsschwerpunkt "Innovative Materialien und Technologien" der Jenaer Universität – daher fusst es auf zahlreichen, exzellenten Vorarbeiten. Das JCSM ist Bestandteil ihres Forschungsprofils, "das durch die Einwerbung der beiden Grossprojekte signifikant gestärkt wird", so Chemiker Schubert.
aus Silbernanopartikeln bestehenden Strukturen auf einer Kunststofffolie
Nur etwa ein tausendstel Millimeter dick sind diese aus Silbernanopartikeln bestehenden Strukturen auf einer Kunststofffolie. Das hochleitfähige Material wird mit einem speziellen Tintenstrahldrucker aufgebracht. Diese Strukturen fungieren als winzige "Chiplabore", auf denen DNA-Proben aufgebracht werden können, was im neuen "Jena Center for Soft Matter" der Universität Jena weiterentwickelt wird. (Foto: Jan-Peter Kasper/FSU)
Denn neben der GoBio-Förderung ist es den Jenaer Wissenschaftlern auch gelungen, eine Million Euro von der Carl-Zeiss-Stiftung im Rahmen der Strukturförderung einzuwerben. In den nächsten vier Jahren können damit interdisziplinäre Forschungsprojekte mit bis zu sieben Doktoranden sowie eine Nachwuchsgruppe finanziert werden, um die Forschung innerhalb des Zentrums gerade auf den Überschneidungsgebieten der einzelnen Fachrichtungen voranzutreiben.
Ausserdem wird das JCSM – neben weiteren Partnern – auch durch das Land und die EU gefördert, denn es wird seinen Mittelpunkt im neuen "Zentrum für Angewandte Forschung" der Universität Jena haben, wo Forschungsflächen für besondere Projekte von Naturwissenschaftlern entstehen. Der Neubau mit 2.150 qm Nutzfläche wächst derzeit am Max-Wien-Platz und kostet über 17 Mio. Euro sowie rd. 1,6 Mio. Euro an Ersteinrichtung. Der Bau wird zu 75 % über EFRE-Mittel der EU sowie Eigenmittel der Universität finanziert und soll Anfang 2013 fertiggestellt sein.
"So lange wollten wir nicht warten", so Prof. Schubert "und beginnen mit den ersten Projekten des JCSM zunächst in den beteiligten Instituten". Allerdings sei der Neubau dringend notwendig, da weitere Projekteinwerbungen anstünden und schon die bereits eingeworbenen Geräte und das neue Personal nicht untergebracht werden können. "Und die begonnenen Projekte ermöglichen es uns", so Schubert, "weitere Wissenschaftler zur Mitarbeit im Zentrum aufzufordern". Schliesslich seien bereits mehr als 100 Mitarbeiter der Universität ins Jena Center for Soft Matter integriert.
Source: Friedrich-Schiller-Universität Jena